Montag, 22. November 2010

Zur Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch - II
Ob ein Versuch beendet ist oder nicht, richtet sich nicht nach der Vorstellung des Täters über ein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel, sondern über den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs (Rücktrittshorizont). Auch bei Erreichung des außertatbestandsmäßigen Ziels kann ein unbeendeter Versuch vorliegen, so dass das bloße Aufgeben der weiteren Tatausführung für einen Rücktritt genügt (BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 ff).
Hat der Angeklagte eine mögliche tödliche Wirkung seines Stichs billigend in Kauf genommen, legt dies nahe, dass er – bei seiner Flucht unmittelbar nach dem Stich – (auch) den baldigen Tod des Geschädigten für möglich gehalten hat. Wenn er keine gegenteiligen Erwägungen angestellt hat, er sich also überhaupt keine Vorstellungen darüber gemacht hat, ob der Geschädigte sterben könne oder nicht, liegt jedenfalls deshalb ein beendeter Versuch vor.
Beschluss des BGH vom 13.09.2010 - 1 StR 423/10
Die vollständige Entscheidung können Sie unter Angabe des vorgenannten Aktenzeichens nachlesen unter:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/list.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288
Zur Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch - I
Für die Abgrenzung des beendeten vom unbeendeten Versuch kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. auch BGHSt 31, 170, 175; 33, 295, 299; GS 39, 221, 227) oder sich keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (vgl. BGHSt 40, 304).
Hält er den Erfolgseintritt für möglich, so ist der Versuch beendet. In diesem Fall setzt ein strafbefreiender Rücktritt voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt durch eigene Tätigkeit verhindert oder sich, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt, darum bemüht. Rechnet der Täter dagegen nach der letzten Ausführungshandlung (noch) nicht mit dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolges, so ist der Versuch unbeendet, wenn die Vollendung aus Sicht des Täters noch möglich war. In diesem Fall genügt das bloße Aufgeben weiterer Tatausführung, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat.
Beschluss des BGH vom 22.07.2010 - 4 StR 180/10
Die vollständige Entscheidung können Sie unter Angabe des vorgenannten Aktenzeichens nachlesen unter:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/list.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288